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Seit Mai ist Stefan Marczinkowski neuer Direktor des Hotels Grenzfall. Nach zwei Jahrzehnten im Dienst namhafter Unternehmen, wählte der Hotelier ein Haus mit christlichem Profil.
Die Ummeldung hat endlich geklappt, auf Umwegen. Der einzig machbare, freie Termin sei im Bürgeramt Köpenick gewesen. Also setzte sich Stefan Marczinkowski ins Auto und fuhr 45 Minuten bis in den Südosten Berlins. Zurück am Arbeitsplatz, überquert er die doppelte Pflastersteinreihe, die an den Verlauf der Berliner Mauer hier erinnert. Stünde sie noch, läge das Hotel Grenzfall auf dem Abschnitt der Ackerstraße, die zum West-Berliner Bezirk Wedding gehört. Der 13. August, Tag des Mauerbaus, ist erst ein paar Tage her. Vor der benachbarten Gedenkstätte liegen Kränze. „Ich habe großen Respekt vor diesem Ort und den Menschen“, sagt der Hoteldirektor, während er sich einen Stuhl heranzieht.
Ganz beide Beine auf Berliner Boden hat Stefan Marczinkowski noch nicht. Den Wohnsitz in der Nähe Frankfurts behält er und pendelt. Seine Frau arbeitet in Hessen, er selbst hat prägende Jahre dort verbracht, zuletzt als Direktor eines christlichen Hotels östlich der Main-Metropole. Das „Grenzfall“ in Trägerschaft der Lobetaler Stiftungen ist seine zweite Wirkungsstätte mit konfessionellem Träger. „Ich bin kein kirchlicher Mensch, aber Spiritualität ist mir wichtig“, unterscheidet er zwischen Institution und Überzeugung. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter fällt ihm ein: „Wo Grenzen sich auflösen und Menschen als Menschen betrachtet und ernstgenommen werden, ohne Kategorisierung, da ist Gott am Werk.“
Zwei Hotelmitarbeiter, beide auf dem Weg ins Gebäude, laufen an ihrem Chef vorbei, der auf der Terrasse mit Blick in den Garten Platz genommen hat. Die drei Männer nicken einander zu. Stefan Marczinkowski lacht und sagt: „Ich gehöre dazu. Wie jeder andere auch. Das ist Gott gegeben.“ Gemessen daran, dass das "Grenzfall" ein Inklusionshotel ist, in dem auch Mitarbeitende mit Behinderung zum Team zählen, ist der Satz beides, Aussage und Haltung.
Fast vergnügt berichtet der Hotelier, wie ihm während der ersten Arbeitswochen immer mal fragende Blicke an der Rezeption zugeworfen wurden, weil er so selbstverständlich ins Haus schlenderte. „Es dauerte natürlich, bis mich jeder kannte.“ Und verstand, dass der Chef den normalen Hoteleingang nutzte. Kritische Nachfragen fand er „sogar gut“, betont Marczinkowski, „die Menschen werden gesehen, das Team kümmert sich“. Einen Samariter-Fall gab es bislang nicht.
Stefan Marczinkowski ist gelernter Konditor, hat dann Erziehungswissenschaften und Pädagogik studiert. Als junger Familienvater nahm er einen Job an der Rezeption des InterCity-Hotels seiner Heimatstadt Wuppertal an. „Drei Tage dauerte die Einarbeitung, dann ging es los“, erinnert er sich. Los damit, Verantwortung zu übernehmen. Schnell merkte er, dass ihm die Aufgabe gefiel, parallel entging der Geschäftsführung nicht, dass er sich geschickt anstellte. Der Einstieg war gemacht.
Der Aufstieg ließ nicht lange auf sich warten. Er führte den Westfalen durch ganz Deutschland und in die Führungsverantwortung namhafter Häuser wie Steigenberger. 2023 entschied er, das Tempo zu drosseln, auch weil der Körper sich zu wehren begann. „Ich war in Assisi, besuchte die Basilika und wusste mit einem Mal, ich wollte gesund werden.“ Als Nächstes schnürte er die Wanderschuhe, ging den Jakobsweg – und nahm dann die neue Abzweigung im Job, die sich im bot.
Im „Grenzfall“ gehe es jeden Tag um die Schöpfung, „die Natur und die Menschen“, hat er in den Monaten die er hier ist bereits gemerkt. Diese Haltung verkörpere Lobetal sehr gut, „auch, dass die Schöpfung Macken hat, die wir akzeptieren dürfen. Kirche, findet er, müsse gesamtgesellschaftliche Bezüge auf ähnliche Weise deuten. Mit Macken also? Stefan Marczinkowski nickt. „Unsere Geschichten dürfen wir nicht gegen Selfies tauschen. Selfies sind zu unreflektiert.“ Davon nimmt er sich selbst nicht aus.